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Bücher weiten Horizonte

Ein Projekt zur Leseförderung im Kongo

In vielen Ländern Afrikas ist der Zugang zu Büchern keine Selbstverständlichkeit. Auch in der Demokratischen Republik Kongo gibt es kaum Verlage und Buchhandlungen. Die meisten Kinder und Jugendliche wachsen, abgesehen von Schulbüchern, ohne Bücher auf.
Literatur ist eine wichtige Ausdrucksform kultureller Identität. Sie spiegelt Werte und Wirklichkeiten einer Gesellschaft. Ohne Literatur fehlt ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung sozialer Kompetenz und die kritische Reflexion der kulturellen Zugehörigkeit – und es fehlen Bildungsperspektiven für junge Menschen. Hier setzt das Projekt «Die Welt in Büchern» an, das wir 2017 in der Demokratischen Republik Kongo lanciert haben.

Alles begann im Jahr 2012 mit einem Telefonanruf von Joseph Kalamba, einem kongolesischen Pfarrer. Während 15 Jahren hat er in der Schweiz studiert und gearbeitet, zuletzt als Pfarrer in der Kirche St. Martin in Baar. Seine Heimat blieb ihm immer wichtig, und auf seine Initiative wurde Ende der 1990er-Jahre die Kooperative Bidiep-Bidiep in Kamutanga gegründet. In der strukturschwachen Region Kasai Central wurde seither in beharrlicher Arbeit und mit finanzieller Unterstützung aus der Schweiz ein Ausbildungssystem aufgebaut, das den jungen Menschen eine Perspektive bietet und sie von der Abwanderung abhält. Es wurden 22 Schulhäuser gebaut, eine Krankenstation, verschiedene Werkstätten und eine Hochschule für Landwirtschaft und Pädagogik.

Doch zurück zu jenem Telefonanruf. Joseph Kalamba hatte in der Zeitung vom Projekt «Die Welt in Büchern» von Baobab Books gelesen und fragte an, ob es möglich wäre, auch im Kongo ein Projekt zur Förderung des Lesens und Schreibens zu realisieren. Es kam zu einem ersten Treffen und einer ersten Projektskizze, ein längerer Planungsprozess führte schliesslich 2017 zum Projektstart. Es war kein einfacher Weg und eine Übung in Ausdauer und Geduld.

Bereits 2013 wurde das Konzept für die Aktivitäten zur Leseförderung in Kamutanga in Zusammenarbeit mit der Kooperative Bidiep-Bidiep und terre des hommes schweiz ausgearbeitet. Als gemeinnnütziger Verein kann Baobab Books Wissen vermitteln, verfügt aber über keine finanziellen Ressourcen, um ein solches Projekt selbst zu finanzieren. Die Suche nach Geldgebern war überraschend langwierig, erst Mitte 2015 lagen genügen Zusagen vor, um konkrete Aktivitäten zu planen. Joseph Kalamba entschloss sich 2014 zur Rückkehr nach Kamutanga. Die Kommunikation war öfters unterbrochen, gekappte Internetleitungen, Mobiltelefone ohne Empfang gehören zum Alltag, eine Postzustellung kennt das Land nicht. Politische Unruhen machen individuelle Pläne schnell zunichte. 2016 kam es in der Provinz Kasai zu massiven Gewaltausbrüchen und einer Flüchtlingswelle. Von diesen Unruhen und Unsicherheiten war auch die Kooperative Bidiep-Bidiep betroffen, und die Pläne zur Realisation des Projekts mussten mehrmals angepasst werden.

Ein Grundlagenworkshop für Vertreter der Kooperative war für Juni 2016 als Projektauftakt geplant. Da ein Reise in das Krisengebiet für Baobab Books zu riskant gewesen wäre, beschlossen wir eine Umkehrung: Die kongolesische Delegation sollte zu Ausbildungszwecken in die Schweiz reisen. Passausstellung und Visumsanträge verzögerten sich, und das Ausbildungsseminar in Basel musste    wiederum um ein Jahr verschoben werden. Im Juni 2017 war es dann endlich so weit: Leontine Kabuanga, Florence Madilu, Etienne Bidiep und Dieudonné Matungulu reisten zu Ausbildungszwecken in die Schweiz. Sie alle arbeiten in Leitungsfunktionen in den Schulen von Kamutanga, und wurden als Multiplikatoren für die künftigen Aktivitäten zur Leseförderung ausgewählt. Die vier hatten die Möglichkeit, von der belastenden Situation in ihrer Heimat etwas Abstand zu gewinnen, und konnten sich ganz der für sie neuen Thematik widmen, fern von ihrem Alltag und von gewohnten Strukturen. Besuche bei verschiedenen Institutionen im Bereich der Leseförderung waren für sie zusätzlich horizonterweiternd.

Es war eine intensive Ausbildungswoche und die vier Gäste hatten viele Eindrücke zu verarbeiten. Die Diskussionen und Analysen gingen mit jedem Arbeitstag tiefer. Am letzten Arbeitstag entwarf die Gruppe einen Plan zur Umsetzung der Projektaktivitäten in Kamutanga. Allerdings bestand die Gruppe zu diesem Zeitpunkt nur noch aus drei Personen: Ein Mitarbeiter war am dritten Tag schwer erkrankt Er musste in die Notaufnahme gebracht werden und blieb für den Rest seines Aufenthalts hospitalisiert. Erfreulicherweise erholte sich der Patient gut und absolvierte grosse Teile des Kursprogramms auf seinen ausdrücklichen Wunsch vom Spitalbett aus.

Trotz vieler Schwierigkeiten und Überraschungen haben wir das erste Projektziel erreicht. Im Dezember 2017 erreichten uns gute Nachrichten aus Kamutanga: Etwa 30 Lehrkräfte werden nun darin geschult, mit ihren Schülerinnen und Schüler eine Lese- und Schreibkultur aufzubauen. Das gemeinsame Ziel der Kooperative und Baobab Books ist die Schaffung einer lokalen Bibliothek mit Geschichten, die von Kindern und Jugendlichen gesammelt, aufgeschrieben oder selber verfasst werden.

Sonja Matheson

Wir danken der Mercator Stiftung, der Leopold Bachmann Stiftung, terre des hommes schweiz, Anna und Urs Lüthi sowie weiteren Unterstützerinnen und Unterstützern.

21.1.2018